Dänemark – Das entschleunigte Land
Dänemark hatte ich lange Zeit gar nicht auf meiner Reise-to-do-Liste, aber da ich ohnehin schon im Norden unterwegs war, habe ich noch einen kleinen Schwenk gemacht und eine ganz neue Sicht auf dieses Land bekommen. Meine Geschichte liest du hier:
Nachdenken über Dänemark
Da sitze ich nun, in Norre Vorupør ganz im Norden von Dänemark. Der Himmel ist in dicke, dunkle Wolken gehüllt und Regen prasselt auf den Sand. Das Meer vor mir wirkt grau und träge. Verschlafen liegen die Fischerboote am Strand und verlassen wirkt der Ort. Die Menschen haben sich in die Häuser, Cafés oder unter Sonnenschirme geflüchtet, um dem Regen zu entgehen. Nur das Grollen des Meeres und das aufgeregte Kreischen der Möwen ist hörbar. Auch ich habe mich nach innen geflüchtet und denke über dieses Land nach.
Ich bin in Dänemark, einem Land, dass ich gerade im Vorbeifahren entdecke. Ich habe mich einfach ins Auto gesetzt und bin an die Küste gedüst. Ich habe Freunde im Dithmarschen besucht und bin bei Tönem über die Landesgrenze gefahren.
Wobei Grenze auch schon wieder relativ ist. Ein simples blaues Schild markiert hier den Beginn eines anderen Landes. Wer nicht darauf achtet, kann schon mal unbewusst nach Dänemark einreisen. Viel ändert sich mit der Grenze auch erstmal nicht. Kleine verschlafene Dörfer, Häuser mit Klinkersteinen verziert und reetgedeckten Dächern, urige Bauernhöfe und endlose Felder mit Getreide und Vieh, prägen das Landschaftsbild. Und das ändert sich auch weiter im Norden nicht großartig. Hier finden sich genauso kleine, gemütliche Gemeinden mit viel Freiraum und Natur.
No Stress please
Meine Fahrt führte mich durch ein schlichtes Land. Zumindest empfand ich es so. Die Landschaft ist nicht gespickt mit spektakulären Highlights, die Ortschaften nicht zugebaut mit Wolkenkratzern, die Straßen nicht überladen mit schnellen Fahrzeugen. Schon die Geschwindigkeit des Verkehrs sagt einiges über die Seele dieses Landes aus. 80 km/h auf Landstraßen lassen keinen Platz für gestresste Raser. Die sucht man hier vergebens. Auch drängelnde BMWs oder lichthupende Audis sind hier kein Thema. Nicht auf dem Land, da wo das eigentliche dänische Leben stattfindet.
Zäune um Nachbarn fernzuhalten braucht es hier auch nicht. Wenn dann haben sie höchstens Deko-Charakter. Viel schöner ist es sein Heim in den Dünen, im Wald oder der Heide zu wissen, ganz ohne Abgrenzung, dafür mit offener Willkommenskultur.
Willkommen fühlen
Und genauso offen empfand ich auch die Gasteltern meiner ersten Unterkunft hier in Dänemark. Über Airbnb hatte ich sie gefunden. Ein älteres Ehepaar, was die Einnahmen durch Vermietung, für einen Roadtrip durch Amerika spart. Ein herzliches Willkommen begrüßte mich. Ebenso aufgeschlossene Augen und zwei Menschen, die mehr wollten als mein Unterkunftsgeld. Sie wollten teilhaben an meiner Reise und meiner Geschichte.
Und ich wollte im Prinzip das Gleiche: An ihrem Leben teilhaben. Ein Grund, warum ich mich immer wieder privat über AirBnB oder Couchsurfing in Unterkünfte einbuche, anstatt in anonymen Hotels. Ein wenig gibt es mir das Gefühl fremde Menschen und Kulturen besser kennenlernen zu können und nicht nur Vorbeireisende zu sein.
Ich lernte von den Beiden, dass man sich in Dänemark „duzt“. Außer die Königin natürlich, der zollt man hier besonderen Respekt. Aber sonst passt dieser Umgang zu meinem Bild der Dänen. Ein Distanziertes „sie“ ist hier fehl am Platz. Das „du“ öffnet den Menschen und bringt sie näher.
Festgefahren
Ein „Du“ war es dann auch, was mir Hilfe anbot, als ich mich am Strand auf Rømø festgefahren hatte. Hier in Dänemark können bestimmte Strandabschnitte mit dem Auto, Motorrad oder Camper befahren werden. Manchmal bis an die Dünen, manchmal parkt man direkt am Meer. Ideal für Familien, die den Tag hier mit Kind & Kegel verbringen. Spart es ihnen doch die Schlepperei von Spielzeug, Picknickkorb und Sandmuschel. Praktisch auch für die vielen KITER oder Drachenfans, die ihr Equipment direkt dabei haben. Und das Beste? Die Strände kosten nichts! Im Gegensatz zu Deutschland, wo man unverschämte Preise noch weit abseits der Orte zahlen muss, für öffentliches Gebiet wohl gemerkt.
An dem 1,2 km breiten und 12 km langen Strand von Rømø finden Sportler ihr Paradies und ich fand herrliche Fotomotive in ihnen. Leider nur hatte ich noch keine Übung in dem Sand zu fahren und mein Auto bleib promt stecken. Doch kein Problem im freundlichen Dänemark. Ich war noch nicht mal ausgestiegen, um mein Missgeschick zu begutachten, da wurde ich schon gefragt: „Brauchst du Hilfe?“. Noch während ich mich über diese Geste freute, wurde ich angeschoben, hatten meine Reifen wieder Griff und mein Auto befreite sich.
Eine Welt aus Staubkörnern
Am Tag drauf landete ich in Søndervig, um mir das Sandskulpturenfestival anzuschauen. In einen riesigen Wall aus Sand wurden hier Szenen aus Afrika geschnitzt und aus Stehlen entstanden Skulpturen von wilden Tieren. Thematisch hat man sich den Kontinent zum Thema gemacht und in wirklich erstaunlichen Skulpturen festgehalten. Ich war voller Bewunderung wieviel Liebe zum Detail, Kreativität und Geschick man doch in Sand verbauen kann. Lebendig werden hier die Geschichte, Fabelwesen und die Tierwelt Afrikas. Und irgendwie passen Sandskulpturen auch hervorragend in dieses Land. Wieder nichts Lautes. Sondern Kunst, die einen still und staunend zurück lässt.
Populärmusik
Während ich mich weiter entlang der Westküste treiben liess, begleite mich dänische Popmusik im Radio. Und selbst diese kommt mir hier irgendwie entschleunigt vor. Keine ballernde Baseline wie etwa in den Niederlanden, wo man Techno liebt, sondern seichtes berieseln, ganz passend zu dem Fluss in dem ich mich gerade befand. Wieder war nichts zu sehen von viel Verkehr oder Andrang. Nur gemütlich vor sich hintuckernde Fahrzeuge und beschauliche Lanschaften. An mir zogen einsame Häuser vorbei, grasende Schaafe und in Heidekraut gesäumte Hügel.
Im Regen tanzen
Heute nun sitze ich am Meer und bewundere wieder die Gelassenheit der Dänen. Im 20ig Minuten-Takt wechseln sich Regen und Sonnenschein ab. Bei Sonne strömen sie an den Strand, bei Regen zurück zu den schützenden Plätzen. Sie trotzen dem Wetter mit einem Lächeln. Es ist Sommer, man trägt kurzes Beinkleid und wenn es gießt, dann zieht man sich einfach ein langes Regencape über. Die Schuhe nimmt man in die Hand, damit sie trocken bleiben und die Füße waten durch die Fluten, die sich auf den Gehwegen bilden.
Das Sonntagsbier wird unterm Sonnenschirm genossen, während neben dran der Regen niederprasselt. Ganz hart sind die Surfer. Denen ist es egal, ob sie von oben oder unten nass werden. Sie bleiben gleich im Wasser. Man hat sich eben mit dem Wetter arrangiert. Auf die Laune schlägt das hier keinem. Nicht mal mir. Ich springe auf, wenn die Sonne durch die Wolken blinselt und über dem Meer einen Regenbogen formt. Ich husche ins Café zurück, wenn der Niesel in Regen übergeht.
Entschleunigt
Ich sitze dann einfach nur da und beobachte, wie das Meer die Farben wechselt. Wenn der Wind die Wolken auseinander pustet und den Weg für das Sonnenlicht frei macht. Wenn die Strahlen die See geradezu wachzuküssen scheinen. Wenn das Grau des Meeres in leuchtendes Türkisblau wechselt. Fast schon karibisch sieht die Bucht mit ihren Booten dann aus. Nur die Aufschrift auf den Kuttern verrät dann noch, dass ich in Dänemark bin.
Und dann in diesen Momenten höre ich in mich hinein. Ruhig ist es da. Vergessen die Hektik und der Stress des deutschen Alltags. Abgelegt alle Last und alle Sorgen. Was zählt ist das jetzt und das hier. Keine Vergangenheit die beschäftigt, keine Sorge um die Zukunft. Ich bin hier und im Moment bin ich glücklich, genauso wie es ist.
Erkenntnis
Trotz Regen oder gerade deshalb. Weil mir das Wetter Zeit gibt noch intensiver zu spüren und hier zu sein. Mir Raum gibt, das Meer und die Menschen zu beobachten und über Schönheit und Sinnhaftigkeit nachzudenken. Und dann liegt es glasklar vor mir, die Erkenntnis das Dänemark nicht nur ein entschleunigtes Land ist, sondern auch in mir die Ruhe hat einkehren lassen. Ein schönes Gefühl, was man sich öfter gönnen sollte. Vielleicht ja mit einem Ausflug ans Meer nach Dänemark…
In diesem Sinne:
#get up & entdecke Dänemark!