Südafrika für Genießer – Interview mit Wein-Guide Clarissa Hagemann
Clarissa Hagemann ist Wein-Expertin und überdies noch ausgebildeter Tour-Guide in Südafrika. Ihre Leidenschaft für das Land am Kap und seine hervorragenden Weine hat sie sich zur Lebensaufgabe gemacht. Ihre Begeisterung teilt sie mit Reisenden aus der ganzen Welt. Ich habe sie interviewt, um mehr über ihre Passion und herausragenden südafrikanischen Wein zu erfahren. Welche Wein-Estates sie empfiehlt, welches die besten Übernachtunsmöglichkeiten sind, wo man am besten Essen kann und natürlich auch, was den Reiz an Südafrikanischen Weingütern ausmacht.
Hallo Clarissa, wie lange lebst du denn schon in Südafrika und was hat dich bewogen, auf die andere Seite des Erdballs zu ziehen?
Ich lebe seit 6 Jahren hier und habe meine Entscheidung, runter nach Kapstadt zu gehen, noch keinen einzigen Tag bereut. Ich war über 10 Jahre in der Pharmaindustrie tätig und wusste, es muss was Anderes im Leben kommen, aber was? Ein Job am Schreibtisch ging für mich gar nicht und die Sehnsucht auf den afrikanischen Kontinent, schon seit meiner Studentenzeit, flackerte wieder auf. Freunde von mir waren schon 10 Jahre zuvor ausgewandert, besitzen ein Hotel in Kapstadt und ich beschloss, mal 3 Monate eine Auszeit zu nehmen und dort zu arbeiten. Das war es dann…….
Ich habe mich in dieser Zeit so in dieses Land und diese Stadt verliebt, habe innerhalb kürzester Zeit hier Leute kennengelernt, die heute meine engsten Freunde sind und habe am Flughafen so geheult und mich gefragt: „Warum fliegst Du eigentlich zurück? Wer wartet auf dich? Hier hast du doch alles?“ Zurück in München haben mich all meine Freunde gefragt: „Was hat dich am meisten beeindruckt und dir am meisten gefallen?“ Sofort kam meine Antwort: „Die unendliche Weite des Landes, das Gefühl durchatmen zu können, das Gefühl angekommen zu sein.“
Immer wenn ich meine Geschichte erzähle und an die Anfänge denke vor meinem ersten Abflug wieder zurück nach München – der letzte Sonnenuntergang mit Blick auf den Tafelberg, auf dem Weingut Seidelberg – heute Spice Route – kommen mir wieder die Tränen und dann weiss ich, da ist mein Herz und meine Sehnsucht berührt.
Und wie kam dann der Sprung ins Wein-Business?
Zum Einen habe ich mein Tourguide Zertifikat absolviert, da meine eine Leidenschaft ist, immer mit Menschen in Kontakt zu sein und Menschen für etwas zu begeistern. Meine Schwester war dann der Auslöser für das Weinbusiness. Sie meinte, man solle doch das im Leben tun, was einem am meisten Spass macht, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Sie sagte: „Immer wenn ich mit dir spreche und dich höre, schwärmst du von den Winelands und liebst die Ausflüge dorthin“.
War das meine Leidenschaft? Ja, zum Einen habe ich schon die letzten Jahre immer Weinlektüren gelesen und auch Bücher über die hiesigen Winelands gekauft. Schon immer haben die verschiedenartigen, prachtvollen Weingüter Südafrikas, die wunderschönen Weinberge sowie die Geschichte der Südafrikanischen Weine eine besondere Faszination auf mich ausgeübt. Es stimmt, immer wenn ich Zeit hatte, bin ich in die Winelands gefahren, habe neue Weingüter erkundet und deren Weine getestet.
Und welche Form der Weiterbildung hast du gewählt, um dein Wissen bezüglich Wein zu vertiefen?
Ich habe dann sofort voller Enthusiasmus über die Idee im Weinsektor tätig zu werden, um mein Hobby zum Beruf machen zu können, 2 Langzeitkurse bei der hiesigen Cape Wine Academy besucht. Ich wusste bis dato nur, welche Rebsorten es gibt und dass ich lieber Rotwein als Weisswein trinke. Für mich waren die Kurse so interessant und beeindruckend, wieviel über Wein, Brandy, Süssweine, Sparkling Weine erzählt und gelernt werden kann. Die Idee, all das tiefgehende Wissen, welches vermittelt wurde, in Form von Weinseminaren & Weinvorträgen weitergeben zu wollen, kam erst im Kurs auf.
Gab es auch einen Abschlusstest?
Ja, ich habe das Zertifikat einer Wein-Expertin erhalten. Das Examen bestand aus 2 Teilen, einem theoretischen und einer praktischen Prüfung, bei der man Weine getestet hat, ohne zu wissen, um welche Rebsorte und welchen Wein es sich handelte.
Was beeinhaltet ein Wein-Vortrag?
Mein Vortrag dauert ca. 1,5-2 h und handelt sowohl die Südafrikanische Weingeschichte, Weinproduktion, deren Besonderheiten, Weintipps im Allgemeinen, die wichtigsten Südafrikanischen (franz.) Rebsorten als auch Wein und Essen (was passt, was harmoniert gar nicht) ab. Der praktische Teil beeinhaltet eine Blindverkostung (Spezialverkostung, bei der man die Rebsorte raten muss) von 8 Weinen. Alle Weine können selbstverständlich weiter den Abend hindurch genossen werden. Danach gibt es ein Abendessen, welches individuell vorher abgesprochen wird.
Kannst du deinen Vortrag überall durchführen?
Natürlich. Das gesamte Equipment wie Gläser, Seminarunterlagen etc. habe ich, so dass ich jederzeit und überall meinen Vortrag und die Spezialverkostung durchführen kann. Am meisten Spass macht es, wenn man eine Gruppe ab 6 Personen zusammen hat. Da wird dann untereinander geraten, sich ausgetauscht, um welche Rebsorte es sich wohl handeln mag, welches Aroma dominiert etc.
Wie führst du deine Wein-Touren durch?
Durch meine jahrelangen Freizeittripps in die Winelands kenne ich natürlich zahlreiche Weingüter, deren Besonderheiten, ihre ganz eigene Geschichte, die Hintergründe und natürlich auch alle ihre Flagshipweine.
Um die perfekte Route zu konzipieren, spreche ich zunächst mit meinen Kunden, um zu erfahren wo ihre Wünsche liegen. Je nach Schwerpunkt wähle ich in Rücksprache die entsprechenden Weingüter aus und plane die gesamte Tour. Ganz egal, ob jemand nur einen Tagesausflug machen möchte oder gleich eine ganze Woche im Weingebiet unterwegs sein will – bei mir bleibt kein Wunsch offen.
Was sind die Kriterien der Auswahl?
Jedes Weingut hat sein Individuelles, seine Identität. Die Atmosphäre, das Ambiente, das Interior, der Stil, egal ob es sich um ein traditionelles, kapholländisches Weingut handelt oder um das Moderne, mit sehr viel upmarket Style, jedes ist so einzigartig.
Was sind deine Erfahrungen mit den vielen verschiedenen Weingütern?
Jedes Weingut legt auch andere Schwerpunkte. Das eine mag nicht so besondere Weine haben, dafür ist sein Lunchangebot aussergewöhnlich gut und das Ambiente wunderschön. Andere kleine, unscheinbare Weingüter haben exzellente Spitzenweine, aber einen ganz simplen Tastingroom. Die Einen bieten ein breites Weinsortiment an von MCC´s (das ist Sekt bzw. Sparkling Wine aber auf Champagner-Niveau. Sie dürfen allerdings nicht Champagner genannt werden, da nur die Weine mit Flaschengärung aus der Champagne in Frankreich so genannt werden dürfen) über alle wichtigsten Rebsorten bis hin zu Süssweinen und Port. Andere Weingüter hingegen legen ihren Schwerpunkt dann mehr nur auf Rotweine oder Weissweine und damit auch ihre Flagshipweine (Bestseller).
Gibt es etwas, was du bei den Weingütern verändert würdest oder etwas, was dir nicht gefällt?
Leider, leider schliessen die meisten Güter schon um 16.30/ 17.00 Uhr abends, machen dafür sehr früh auf. Das würde ich verändern. Es hängt wahrscheinlich mit den Transportzeiten für die Angestellten der Weingüter zusammen. Viele Gäste mögen jedoch gerade im Sommer einen Sundowner-Drink auf einem Weingut einnehmen, bevor sie dann entweder nach Kapstadt zurück fahren. Die Öffnungszeiten sollten variabel angepasst werden – später auf (kein Mensch macht um 8.30 Uhr morgens ein Tasting…) und später zu. Mittlerweile gibt es eine handvoll, die erkannt haben, dass gerade am Abend noch ein guter Umsatz durch längere Öffnung generiert werden kann – Peter Falke (der Strumpf Falke) hat mit seinem Weingut den Anfang gemacht.
Nun will ich es aber genauer wissen – welches Weingut ist für dich das Schönste und das Aussergewöhnlichste?
Hmm, sehr schwer zu sagen, da wie gesagt, ja alle so individuell schön sind. Ich habe ein paar Favoriten, die ich immer wieder gern auf meinen Touren zeige, da sie mit in einen Querschnitt von Verschiedenartigkeit fallen – die folgenden sind allerdings hauptsächtlich in und um die Gegend von Kapstadt gelegen: (sprich Constantia, Paarl, Stellenbosch, Franschhoek)
- Delaire Graff, Cavalli, Leeu Estate, La Grande Provence, Maison, Antonij Rupert, Steenberg – für mich die Upmarket Stylishen.
- Boschendal, Vergenoegd, Uitkyk, Zorgvliet, Groot Constantia, Plaisir de Merle, Webersburg, Muratie als die Traditionell Kapholländischen
- Bartinney, Thelema, Kanonkop, Stellenrust, Stellenzicht, Stark-Condé, Oldenburg, Uva Mira, Ridgeback, Le Riche, Lanzerac, Ken Forrester, de Morgenzon, Mulderbosch stehen für hervorragende Weine.
- Jordan, Guardian Peak, HiddenValley, Rust en Vrede, Delheim, La Motte, Moreson, Mont Rochelle dort kann man wunderbar seinen Lunch geniessen
- MCC´s probiert man am besten bei Simonsig, Haute Cabrière, Le Lude, Moreson, Graham Beck
- Hervorragendes Olivenöl, oft mit einem Tasting verbunden, bekommt man bei Morgenster, Tokara, La Bourgogne, Vergenoegd
Immer mehr Wine Estates bieten zusätzlich Fahrten in ihre Vineyards (Weinberge) an, quasi als kleine Safari, oft haben sie auch Wildtiere auf ihrem Grund. Andere Weingüter haben Blendings in ihrem Programm. So kann man seinen eigenen Wein, Kaffee, Olivenöl oder auch Tee kreieren. Viele Estates beantworten gern auch bei einer Runde durch ihre Keller jede Frage zum Thema Wein und dessen Produktion. Das sind natürlich bei Weitem nicht alle Favorisierten, wer nicht genannt wurde, möge es mir verzeihen, es war nur aus dem Stehgreif und Bauch heraus.
Was macht man denn mit Kindern – kann ich auch als Familie die Winelands geniessen?
Natürlich. Immer mehr Weingüter sind sich der Tatsache bewusst geworden, dass man ein attraktives Angebot auch für Kinder erstellen muss. Zum einen wurden richtige Abenteuerspielplätze gebaut, zum anderen gibt es auf einigen Estates Ponyreiten oder auch Streichelgehege. Teilweise Nannys vor Ort, die auch die Kleinsten beschäftigen.
Gibt es denn noch andere Gegenden, die auch guten Wein produzieren?
Durbanville, Swartland, Elgin, West Coast, Hemel-en-Aarde-Valley (bei Hermanus), Robertson, Tulbagh, auch Worcester verliert sein Image als nur Bulk (Masse) Produzent und generiert inzwischen auch hervorragende Flaschenweine. Auch hier hat man wieder je nach Klima, Boden, Lage, Niederschlagsmenge (wird als Terroir bezeichnet) Rebsorten, die dann je nach Region für den Anbau favorisiert werden.
Wo kann man denn in den Winelands deiner Meinung nach am Besten essen?
Du stellst immer so schwierige Fragen….(lach). In und um Kapstadt muss man sich ja allgemein sehr anstrengen, schlecht zu essen. Auch in den Winelands gibt es zum einen Spitzen-Restaurants mit Fine Dining Lunch und Dinner wie:
- Jordan, Hidden Valley (Overture) , Rust en Vrede, Waterkloof, La Grande Provence, Beau Constantia, Kleine Zalze, Maison, Cavalli
- Super Lunch ebenso: Delheim, La Motte, Moreson, Mont Rochelle, Le Lude, Blaauwklippen, Steenberg, Dornier, Boschendal, Guardian Peak, La Petite Ferme, Haute Cabrière
- Spitzenholzofenpizza: Under Oaks, Rhebokskloof, Mulderbosch
Die meisten Weingüter bieten, sollten sie nicht über ein Lunchangebot (Mittagessen) verfügen, Cheese Platter und auch Charcuterie Platter an, damit man für die Tastings ein bisschen „Unterlage“ hat.
Wenn man in den Weinbergen übernachten will, was würdest du empfehlen?
Ehrlich gesagt, gibt es auch hier wieder unzählige Unterkünfte, unterschiedlicher Preiskategorien. Da ich ja das Alte, sehr Traditionelle liebe, würde ich Webersburg, Weltevreden, Lyngrove, Zorgvliet, Plaisir de Merle oder La Petite Ferme wählen. Aber es gibt auch noch viele kleine, schnuckelige B & B Estates wie z.B. La Provence Vineyards oder auch Self Catering Cottages.
Top top schick stylish Sterne Status hat: La Providence, La Grande Provence, Leeu Estates (brandneu von einem Inder namens Singh, der halb Franschhoek aufgekauft hat), Delaire Graff. Clouds Estate, Babylonstoren, Mont Rochelle (Richard Branson), Majeka House, La Petite Dauphine. Allerdings muss man dafür dann auch den entsprechenden Preis bezahlen! Du siehst schon, wieder eine schwierige Frage…..(lach)
Ich würde empfehlen, auf die Tourismus-Info-Webseite der entsprechenden Region zu gehen und dort unter „Accomodation“ zu schauen, wie zum Beispiel die von Stellenbosch, Franschhoek oder Paarl. Auf diesen Seiten findet man ebenfalls sehr viel Interessantes und Wissenswertes, aktuelle Events oder auch Angebote der Weingüter werden dort platziert.
Wenn Jemand ein großer Wein-Liebhaber ist und noch nie in Südafrika war, wie würdest du ihn locken?
Man muss es erlebt haben, man kann es kaum in Worte fassen. Die wunderschönen Weingüter im kapholländischen Stil oder aber auch die extrem stylischen Upper- Class-Weingüter in dieser außergewöhnlichen Lage – diese Mischung bietet nur Südafrika. Ebenso die Weine selbst, alles französische Rebsorten, die beste klimatische Voraussetzungen mit sich bringen, um extravagante Weine hervorzubringen. Was die Weine auszeichnet, ist ihre fruchtige Eleganz bei den Weißweinen und die gehaltvollen Rotweine, die schon in jungen Jahren mit einer angenehmen Trinkreife beeindrucken und das Ganze zu erschwinglichen Preisen.
Und dann hat Südafrika ja noch seine eigene Rebsorte kreiert. Den Pinotage, der selbst schon in der Neuen Welt wie Australien und Neuseeland angebaut wird und seine Fans findet. Südafrikas Weine gehören mittlerweile zu den Besten der Welt. Das Land blickt auf eine über 350 Jahre alte Weingeschichte zurück, die auch heute noch gelebt wird und die dem interessierten Besucher offen steht. Und unter uns: Bekanntlich sind ja Weintinker immer auch Genussmenschen und oft auch Feinschmecker. Gourmets kommen auf den Weingütern Südafrikas ganz sicher auf ihre Kosten! Erstklassige Restaurants und Sterneküche findet man hier.
Vielen Dank für das Interview, damit hast du uns einen grossen Einblick in deine Passion und in das Thema Südafrikanischer Wein gewährt. Ich freue mich über deine Empfehlungen, die vielen meiner Leser sicher hilfreich sein werden.
Wer sich für ganz individuelle Wein-Touren oder Vorträge der Expertin interessiert, tritt am Besten über ihre Website, Facebookseite oder via Mail mit Clarissa Hagemann direkt mit ihr in Kontakt. Clarissa spricht fließend Englisch und natürlich auch ihre Muttersprache Deutsch.
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