SüdamerikaTrip: Canaã dos Carajás nach Foz do Iguaçu
Heute geht es nun endlich los. 4.5 Wochen und backpack allein als Frau durch Südamerika liegen vor mir und die gespannte Aufregung der letzten Tage ist gewichen und ich bin für eine Verhältnisse sehr ruhig. Alles ist so gut es geht vorbereitet und es gibt keinen Grund jetzt noch irgendwie in Panik zu verfallen. Ich habe alle Papiere in doppelter Ausführung dabei & ein Backup auf der Cloud. Die Kreditkartenfirmen sind informiert das ich reise und die wichtigsten Verbindungen und Unterkünfte sind vor gebucht.
Daniel hat sich den Vormittag für mich frei genommen und will mich die 60 km zum Flughafen von Parauaphebas bringen. Wir haben ausreichend Zeitpuffer eingebaut, denn in Brasilien weiß man nie, ob gerade mal wieder Jemand streikt und eine brennende Straßenblockade aufgebaut hat. Das passiert hier wo wir gerade leben im Schnitt 1x im Monat. Da das Verkehrsnetz hier nicht so dicht wie in Deutschland ist und es zuweilen nur eine Straße in die nächste Stadt gibt, hieße das einen Umweg von 1-2 Stunden über irgendwelche Feldwege.Aber es läuft alles gut bis ungefähr 15 km vorm Flughafen als plötzlich alle Fahrzeuge stehen und nichts mehr geht. Die Straße verläuft hier durch dichten Dschungel und Ausweichrouten gibt es hier keine mehr, wenn hier der Verkehr steht dann geht gar nichts mehr. Nach 15 min. im Fahrzeug werde ich nervös und steige aus um raus zu finden, wo das Problem liegt. „Accidentchi“ was so viel heißt wie Unfall erfahre ich von einem anderen Fahrer und auch, dass mit 30 min Wartezeit zu rechnen sei. Ich bin erleichtert. 30 brasilianische Minuten wird uns als Zeitverzögerung angegeben. Das ist in unserer Zeitrechnung ungefähr 1 Stunde und die haben wir in jedem Fall als Puffer. Als der Verkehr kurze Zeit später wieder anrollt bin ich trotzdem erleichtert, dass es endlich weiter geht. Ich hasse es auf Flughäfen zu spät zu kommen und noch panisch irgendwo hinhechten zu müssen.
Der Flughafen „Carajas“ ist allerdings so übersichtlich, dass lange Wege hier kein Problem wären. Daniel verabschiedet sich und ich trotte in den Flughafen. Noch immer ist von Aufregung absolut gar nichts zu spüren. Etwas über 2h sind es jetzt noch bis zum Abflug und in der Halle sind außer mir nur noch 4 andere Reisende. Eine junge Fau kommt mir bekannt vor, sie hatte uns vorhin auf der Straße gefragt, was passiert sei. Ich trotte in ihre Richtung und setze mich neben sie. Sie erkennt mich wieder und wir fangen sofort an zu quasseln. Sie heißt Barbara und ist Juristin hier in Brasilien. Die 2h bis zum Take of vergehen wie im Flug. Es ist wunderbar mit ihr zu reden. Sie spricht fließend englisch, interessiert sich wie ich für Politik, Naturschutz und Weltgeschehen. Ich lasse mir von ihr erklären, wie Korruption in Brasilien funktioniert und erkläre ihr im Gegenzug die deutsche Vetternwirtschaft bzw neudeutsch den „Lobbyismus“. Wir lachen und schmieden Pläne für eine gerechtere und bessere Zukunft. Leider fehlt uns in dem Moment noch das politische Zepter, aber wer weiß schon, welchen Job er in 20 Jahren hat?
Als wir endlich im Flieger sitzen erklärt mir diese selbstbewusste 24ig Jährige Juristin, dass sie schreckliche Flugangst hat. Ich muss schmunzeln. So eine taffe Frau, die Korruption trotzt und selbstbewusst vor Gericht spricht gesteht mir gerade, dass sie nicht immer so taff ist. Ich beruhige sie: „Fliegen ist wie Busfahren, nur weiter oben.“ Sie betet als das Flugzeug an Fahrt aufnimmt. Ich erkläre ihr, dass Turbulenzen so was wie eine Party sind, Wolken sind Zuckerwatte und darüber liegt das Paradies, denn da scheint immer die Sonne. Außerdem erkläre ich noch, das falls doch was passiert es doch viel cooler ist, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben als an nem Herzinfarkt im Büro. Sie muss lachen. Mal abgesehen davon ist heute ohnehin kein Tag zum Sterben. Doch nicht auf dem Hinflug in den Urlaub! Die 1h bis Belem im Nordosten Brasiliens vergeht rasend schnell und unsere heitere Unterhaltung über Gott und die Welt setzt sich fort. Barbara war sogar schon in Freiburg und auf dem Oktoberfest. Da hat sie mir was voraus ich bin wahrscheinlich die einzige Deutsche die noch nie in München dieser Tradition beigewohnt hat. Das versteht im Ausland immer nie jemand. Alle wollen da unbedingt mal hin oder waren sogar schon da.
Als wir im Anflug auf Belem sind kann ich unter mir im Fluss ein U-Boot sehen! Das hat was von James Bond Filmen, wenn man das zum ersten Mal sieht. Irgendwie völlig out of the world. Barbera erklärt mir, dass wir gerade über den Marinehafen geflogen sind.
Sie ist jetzt wieder reichlich nervös und wieder beruhige ich sie. Leider kann sie mit einer Story aufwarten von einem Flugzeug welches hier mal die Landebahn überschritten hat und über den Rasen „gestrauchelt“ ist. Der Pilot muss so Schiss gehabt haben, dass er seine Angst live übers Mikro kommentiert hat. Was nicht gerade professionell war und zur Beruhigung der Insassen beitrug. Er erkärte sich später im Fernsehen damit, dass er eben auch nur ein Mensch ist und ziemlich die Hosen voll hatte. Ich kommentiere die Geschichte mit einem „Was für ein Abenteuer“ um dem ganzen etwas die Brisanz zu nehmen und Barbara mit Humor zu entspannen. Natürlich geht bei unserem Flug alles glatt und sie verspricht mir, bei zukünftigen Flügen immer an meine Worte zu denken und entspannt an das Erlebnis „Fliegen“ ran zu gehen.
5h Aufenthalt habe ich in Belem. Mancher würde sich zu einer Tour in die Stadt aufmachen. Ich gehe lieber auf Nummer sicher und bleibe am Flughafen. Eine blockierte Straße am Tag reicht als Aufregung. Dafür bleibt Barbara noch eine Stunde mit mir in der Abflughalle. Ihre Schwester hat sich zu uns gesellt und fortan schnattern 3 Frauen und tauschen Lebensgeschichten aus. Ich genieße die Gesellschaft der Beiden. Denn das ist genau das was ich am Reisen liebe. Neue Menschen treffen und einen Einblick in ihr Leben, ihr Land und ihre Kultur zu bekommen. Leider mus Thamara zurück zur Uni und so muss ich die nächsten 4 Stunden alleine tot schlagen. Wir tauschen noch Konaktdaten, schießen Fotos und dann trennen sich unsere Wege auch schon wieder.
Ich kenne den Flughafen in Belem. 3 Stopover musste ich hier schon mit langen Stunden des Wartens verbringen. Ich kenne die Läden, die Fastfoodketten, den Schuhputzautomaten und sogar die Cocktailbar. Also trotte ich die Halle einmal von links nach rechts lustlos ab, damit ich mich heute überhaupt irgendwie beweg habe. Draußen regnet es in Strömen – wie eigentlich jedesmal wenn ich hier bin. Bei einem der Stops war sogar mal der Strom weg und wir saßen in einem komplett stockdunklen Flughafen. Über lange Minuten bis die Notversorgung ansprang und wenigstens die Ausgänge markierte, hat man nicht mal die Hand vor den Augen erkannt.
Ich erinnere mich an ein Internetcafe in der oberen Ebene, investiere 12 Real (3 EUR!) und surfe für 1.5 h im Netz. Immerhin mal schauen was daheim so geht und meine Freunde machen.
Der Anschlussflug nach Sao Paulo ist sogar mal angeschrieben. Uns ist es hier schon passiert (und auch an anderen brasilianischen Flughäfen) das es ständig wechselte und irgendwann gar nichts mehr dran stand. Diesmal habe ich Glück und alles läuft reibungslos.
Wieder fliege ich mit GOL einer brasilianischen Airline. Wer innerhalb des Landes fliegt, der kommt oft sehr günstig von A nach B bei vergleichsweise langen Strecken. Immerhin ich durchfliege ein Land von oben nach unten, welches fast so groß ist wie der ganzer Kontinent und hab für diesen Flug gerade mal 80 EUR bezahlt. Direkt bei der Airline gebucht und mit dem Inkognito Surf-, und Wechselkurs-Trick hat mich das zudem eine Menge Geld gespart. Ich fliege gerne mit GOL, da es eine sehr gute Airline mit verlässlichem Service ist.
Bei diesem Flug sitze ich in der letzten Reihe und kämpfe diesmal mit Würgereiz. Wofür allerdings die Airline nichts kann. Irgendwer um mich herum hat seine Verdauung nicht im Griff und im Minutenintervall bekomme ich divese Ausdünstungen ab. Die Kotztüte im Blick ringe ich mit Brechreiz und würde am liebsten lautstark und für jedermann hörbar darum bitten zum „Blähen“ gefälligst das Boardclo aufzusuchen. So widerwärtigen Gerüchen war ich bisher an Board noch nie und ich schwöre nach Ankunft direkt nach Travel Hacks gegen derartige Gerüche zu suchen.
Ja auch solche Geschichten begleiten einem beim Reisen und keiner ist davor gefeit. Da der Flieger bis auf den letzten Platz ausgebucht ist kann ich auch nicht nach einem anderen Platz fragen.
Die Dame vor mir bestätigt derweil mal wieder mein Urteil über Brasilianer. Die sind nämlich absolut Selbst-, und Selfieverliebt und ich werde Zeuge, wie sie ihre Handygalerie betrachtet. Keine 3, 5 oder 10 Bilder von sich und ihrem Freund sind da zu sehen, sondern im Schnitte hat sie 40x ein und das gleiche Motiv auf ihrem Smartphone. Hier möchte ich dann schon das Wort Selfobsessed benutzen. Vielleicht sei noch angemerkt, dass sie sicherlich kein Model ist was derartig Bildsammlungen vielleicht noch erklären würde. Inzwischen bin ich seit 12 Stunden unterwegs und ich beschließe etwas zu schlafen. Da ich erst gegen 1:30 Uhr in Foz do Iguaçu landen werde ist an viel Schlaf in der Nacht wohl nicht zu denken.
Die Landung in Sao Paulo klappt reibungslos allerdings dauert es eine gefühlte Ewigkeit bis ich aus dem Flieger komme. Ich habe nur 40 min Umsteigezeit und habe Angst den Anschlussflug nicht zu erreichen. Schnell checke ich auf der Anzeigetafel das Gate für „Foz de Iguazu“ und hetze dann dem Flugsteigentgegen, denn mein nächster Flug startet vom anderen Terminal und die Zeit rennt.
Als ich drüber ankomme die Ernüchterung… Ich bin am falschen Gate! In meiner Hektik habe ich nicht drauf geachtet, das 2x Foz do Iguaçu ausgeschrieben ist. Ich bin am Flugsteig für die Airline Azul und nicht wie gebucht bei GOL. Und zu meinem großen Glück ist dieser Flug wieder in der Ankuftshalle, also wieder Füße in die Hand nehmen und zurück rennen.
Als ich 217 erreiche ist das Boarding längst am Laufen. Sicherheitshalber erkundige ich mich „Foz do Iguaçu?“, denn einen Monitor mit Destination gibt es zwar, aber der dient wohl nur der Dekoration. Der Flieger geht jedenfalls nicht dahin und man schickt mich weiter zu 219. Auch wieder nix. So langsam nervt mich diese brasilianische Anzeigentaktik. Hier kommt man irgendwie nur mit Durchfragen zum richtigen Flugsteig. Egal irgendwann werde ich fündig und kann direkt durchlaufen.
Völlig außeratem und mit rotem Kopf lass ich mich in den Sitz fallen und versuche erstmal meinen Puls wieder in den Griff zu bekommen. Ich mag keine solcher Herzschlagfinals, wenns ums Fliegen geht. Lieber warte ich ne Weile und hab dafür etwas Puffer.
Der Flughafen in Foz do Iguaçu ist bedeutend größer als ich dachte, aber trotzdem noch übersichtlich. Ich schnapp mir meinen Rucksack und trotte zum Taxistand. Wir einigen uns auf 300 Real und der Fahrer tritt in die Eisen. Ziemlich Brasilientypisch überschreitet er die ausgewiesene Geschwindigkeit. Statt 60 km fährt er an die 60 km zu schnell. Also knappe 120 im Ort. Da sonst niemand weiter auf der Straße ist und ich nur noch ankommen will beschwere ich mich auch nicht.Selbst in der Dunkelheit ist erkennbar, dass Brasilien hier viel sauberer ist, als in der Stadt in der ich die letzten Monate gelebt habe. Alles macht einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Ich bin sehr entzückt! Auch von meinem Hosel. Das ich spät ankommen werde hatte ich vorab angekündigt und so muss ich gar nicht warten und werde freudig in Empfang genommen. Ich habe mich in ein 6er Mädelszimmer eingebucht und zu meinem Entzücken ist auch nur eine Person neben mir hier. Es verspricht also eine ruhige Nacht zu werden. Und Schlaf hab ich jetzt auch dringend nötig.