„Schatz, kannst Du bitte die Pässe nehmen und runter kommen, hinterm Haus brennt es.“ lautet Daniels Anweisung am Telefon und seine Stimme klingt dabei völlig ruhig. „Ich bin grad aus der Dusche raus gesprungen“ erwidere ich. Wieder ein ruhiges „OK“ und wir beenden das Gespräch. Ich wackel zurück in die Dusche, drehe das Wasser auf und seife mir die Haare ein. „Das Feuer wird schon nicht so weit sein, dass ich jetzt alles in Hektik packen muss“, denke ich mir. „Daniel klang gelassen & ruhig. Er wird sicherlich gleich hoch kommen und mir helfen, die wichtigsten Dinge einzupacken.“Als ich aus der Dusche komme, ist da kein Daniel. Komisch. Ich schlüpfe in Kleid und Schuhe, schnappe mir unsere Pässe und laufe nach unten. Wir wohnen im dritten Stock und haben keine Fenster nach hinten. Ich kann nicht sehen, was da vor sich geht. Das halbe Haus ist unbewohnt, weil der Durschschnittsbrasilianer sich die Miete hier gar nicht leisten kann. Entspechend ist es überall dunkel und niemand verläßt aufgeregt seine Wohnung. Auch ich renne nicht, sondern steige ruhigen Schrittes die Treppen nach unten. Es riecht komisch, das stelle ich fest.
Wieder klingelt mein Telefon. „Wann kommst Du runter? „Ich bin schon da“ lautet meine Antwort, während ich Daniel quasi in die Arme laufe. Gemeinsam betreten wir den Hinterhof. Und hier stockt mir der Atem. Die Flammen sind direkt am Zaun und der Mauer zum Parkplatz! Meterhoch steht das Gras in Flammen, die Funken fliegen in den Nachthimmel und dichter Qualm umhüllt diese unwirkliche Szenerie.
Schlagartig wird mir die Gefahr der Situation bewußt! Und ich hab noch seelenruhig geduscht. Daniels bedächtige Stimme, hab ich nicht als Gefahr gewertet, sondern ich ging davon aus, dass das Feuer noch weit vom Wohnhaus entfernt ist. Ich habe es völlig falsch eingeschätzt. Die Flammen sind keine 10 Meter von den Grundmauern unseres Hauses entfernt!
Die Nachbarn die unten einen kleinen Laden haben sind eifrig mit Löscharbeiten beschäftigt. Zwei weitere Nachbarn halten Smalltalk zur Situation. Ich laufe zum Zaun, um mir einen Eindruck über das ganze Ausmaß zu machen. Hinter unserem Innenhof geht es kurz steil bergab und die ganze Senke ist wild überwuchert mit Gras, Gestrüpp und auch ein paar Palmen findet man da. Viel kann ich in der Dunkelheit nicht erkennen, außer dass es an mehreren Stellen rundherum brennt.Ich drehe mich um und begutachte die Lage. 2 Schleuche, 2 Eimer und 3 Leute die aktiv und angestrengt versuchen, das Feuer zu löschen. Daniel fragt nach: „Bombeiros?“ „Bombeiros!“ und ein Kopfnicken kommen zurück. Die Feuerwehr ist also verständigt. Das beruhigt mich. „Wie lange die hier in Brasilien so braucht bis die kommt?“, schießt es mir durch den Kopf. „Zu lange“ ist die Antwort auf meine eigene Frage. Hektisch frage ich nach einem Eimer. Daniel hilft beim Löschen mit dem Schlauch.
Meine Tasche landet im Dreck. Aus dem Pool der Nachbarskinder schöpfen wir das Wasser. Ich laufe mit dem Eimer vom Wasserbecken zum Zaun und wieder zurück. Eimer für Eimer kippe ich mit voller Kraft in die Flammen, in der Hoffnung irgendwas ausrichten zu können. Derweil schlagen die Flammen direkt an die Grundstücksmauer. Unser Nachbar klettert eine Leiter hinauf um die Flammen von oben löschen zu können. Dramatische Minuten, in denen jeder gegen Rauch, Flammen und Angstgefühle kämpft. Von der Feuerwehr ist derweil nichts zu sehen. Auch haben sich die zwei smalltalkhaltenden Nachbarn in Luft aufgelöst. Geht sie wohl nichts an, was hier gerade passiert. Innerlich schüttel ich den Kopf.Inzwischen helfen uns auch die Nachbarskinder, beim Befüllen der Eimer. Hand in Hand arbeiten wir an der Eindämmung der Flammen und das mit einfachsten Mitteln. Nach 30 min sind die Flammen gelöscht, das Schlimmste unter Kontrolle gebracht und nur mehr einzelne Glutnester in der Ferne auszumachen. Mit unserem kläglichen Wasserstrahl sind die allerdings für uns unmöglich zu erreichen. Feuerwehr ist bis dato keine erschienen. Wir stellen also die Löscharbeiten ein und ich trotte die Treppen hinauf.
Meine Kleidung riecht bestialisch nach Rauch, mein Hals ist gereizt und ich muss husten. Als ich unter der Dusche stehe und das Wasser von mir abperlt, der Staub sich löst und der beißende Geruch so langsam verschwindet, wird mir regelrecht schlecht. Jetzt erst wird mir klar, in welcher Gefahr ich mich befunden habe. Niemand hätte mich hier rausgeklingelt oder Bescheid gesagt, dass es brennt.
Es war Zufall, dass Daniel grad von der Arbeit kam und die Flammen entdeckt hat. Einen Notausgang übers Dach gibt es zwar, aber wenn das Haus in Flammen steht und keine Feuerwehr kommt, dann nutzt einem das auch reichlich wenig. Ich hätte nicht mal mitbekommen, dass ich mich in Gefahr befinde, bis es durch den Türspalt in die Wohnung gequalmt hätte. Und ab diesem Zeitpunkt wäre es längst zu spät gewesen.Die Feuerwehr hat sich überhaupt nicht blicken lassen. Als Konsequenz dieses Abends, haben wir beschlossen uns einen Feuerlöscher zu zulegen und ich habe Daniel gebeten, in Notsituationen auch deutlicher zu werden, damit es auch in meinem Kopf ankommt.