10 Uhr morgens ich sitze am Rechner und schreibe die Geschehnisse vom Feuer am letzten Morgen auf, als ich es verdächtig knistern höre. Ich eile zum Fenster und behalte mit meiner Vermutung recht, es brennt schon wieder! Neben unserem Haus ist eine Freifläche und die wird gerade munter in Brand gesetzt. Am Wegrand bewegt sich ein Mann vorwärts und entzündet alle paar Meter das Gras. „Normal“ hier in Canaá dos Carajas und das obwohl es gegen das Gesetz des Landes verstößt. Aber wo kein Richter…Ich schaue mir die Lage an. Feuer und Gegenfeuer flackern da auf. Die Hautstraße ist eingehüllt in dichten Rauch. Auf dem Dach des Neubaus gegenüber nutzt man den Brand gleich noch, um Baureste zu verbrennen. Munter wird der Dreck von oben in die Flammen geworfen und laute Pfiffe dienen der Erheiterung. Ich kann es gar nicht lustig finden, denn ich sehe Dinge kommen, die die Herrschaften da nicht bedacht haben. Denn die in brandgesetzte Fläche hat „Anschluß“ an die hinter unserem Haus. Das bemerken jetzt auch die Brandschatzer. Mit 2 Eimern Wasser wird noch versucht, das Feuer zu löschen. Aber es ist längst zu spät, die Flammen haben sich schon viel zu tief ins Dickicht gefressen.Ich laufe in der Wohnung umher, sammle wieder unsere Pässe und Kameras ein, stopfe alles in meinen kleinen Rucksack und renne die Treppen hinunter. „Fuego, Fuego“ gebe ich dem Nachbarn zu verstehen, mit dem wir schon am Montag das Feuer bekämpft haben. Ich laufe weiter zu dem kleinen Häuschen neben uns, informiere die Geschäftsläute der Läden in Front und laufe in den Hinterhof. Oi, Oi, Feugo! Gebe ich der Nachbarin zu versehen und deute über ihr Nebengebäude. Sie sieht den dichten Rauch und verständigt sofort weitere Nachbarn.
Inzwischen ist das Feuer auch wieder an unserem Hinterhof angekommen. Ich laufe noch mal hoch, um weitere Sachen einzupacken. Von oben sehe ich, wie der Nachbar mit dem Rücken zur Hauswand steht und mit dem Gartenschlauch gegen die Flammen und dichten Rauch kämpft. Ich bete in diesem Moment für ihn, dass er sich nicht noch eine Rauchvergiftung einfängt.
Ich laufe wieder nach unten. Der Rauch zieht wie durch ein Kaminrohr angezogen durch den Flur und im ganzen Haus riecht es verkohlt. An der Mauer des Innehofes gelehnt steht die Leiter auf der der Nachbar versucht die Flammen vom Gemäuer abzuhalten. Wie schon am Montag bekämpft er das Feuer mit seinem Gartenschlauch. Außerdem wurde ein Gegenfeuer gelegt. Was allerdings nicht gerade zu meiner Beruhigung beiträgt.
Auch die Nachbarn auf der anderen Seite der kleinen Senke sind jetzt aufmerksam geworden und ziehen alte Bretter aus der Gefahrenzone, um Schlimmeres zu vermeiden. Das Feuer frißt sich derweil immer weiter durch das Dickicht. Die ausgedöhrten Grashalme sind ein idealer Nährboden.
Ich höre Mäuse quiken die vergebens versuchen, dem Inferno zu entkommen und ich sehe Vögel über den Nestern ihrer Jungen kreisen. Immer wieder versuchen sie die Kleinen zur Flucht zu animieren, aber sie sind noch nicht flügge. Ich beobachte die Taube, deren Nachwuchs wir neulich mit Wasser versorgt haben. Auch sie kreist hilflos immer wieder über das Nest. Entsetzlich die Vorstellung, dass da grad Tiere bei lebendigem Leibe verbrennen. Es mögen nur Vögel und Mäuse sein, aber es sind auch Lebewesen, die ein Recht auf Existens haben. In mir steigt Wut auf und ich fühle die Ohnmacht, die mich umgibt. Ich kann mich jetzt nicht ins Dickicht wagen ohne Gummistiefel und Machete. Erst Recht nicht, wenn es von allen Seiten brennt. Es bricht mir das Herz, das miterleben zu müssen.
Ich bin so wütend! So unglaublich wütend auf diese dummen Menschen, die dieses Feuer gelegt haben. Von wegen „kontrolliertes Abbrennen“ – als sie begriffen haben, dass sie die Kontrolle verloren hatten, haben sie sich ganz schnell aus dem Staub gemacht. Sie haben nicht Bescheid gesagt. Sie haben nicht geholfen zu löschen. Sie haben nicht die Feuerwehr gerufen. In Deutschland würde man dafür in den Knast wandern, da bin ich mir sicher.
Die Menschen hier haben schon nicht viel, aber das wenige dann auch noch bei einem Feuer zu verlieren, stelle ich mir schrecklich vor. Zumal hier sicherlich niemand versichert ist, wie in Deutschland. Die, die das Feuer gelegt haben, sollten dann doch wissen, welches Unglück sie über die Betroffenen bringen? Aber nein, man denkt hier nicht vorausschauend und schon gar nicht an seine Mitmenschen.
Wäre mir das Knistern entgangen, hätte ich die Nachbarn nicht noch rechtzeitig gewarnt, dann hätten die Flammen wahrscheinlich das Nebengebäude erfaßt und danach wahrscheinlich auch unser Haus. Wie kann man so verdammt rücksichtslos und ignorant sein. Es will mir nicht in den Kopf. Was ist denn, wenn der Nachbar heute Nacht stirbt, weil er sich unbemerkt eine Rauchvergiftung zugezogen hat? Er stand minutenlang im dichten Qualm? Wer versorgt dann Frau und Kind? Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf und ich kann dieses Handeln beim besten Willen nicht begreifen.Eigentlich würde ich jetzt gerne Daniels und meinen Koffer packen und gehen. Wir haben Unfälle und Verfolgungsjagden mitbekommen, aber da es uns nicht direkt betroffen hat, konnten wir damit leben. So ein Feuer aber an unserem Haus, das betrifft uns und macht mir Angst.