Südafrika Ι SALT & wie man einen Astronomen zu Tode erschreckt
Seit der Schulzeit fasziniert mich der Sternenhimmel über uns und die Chance durch das größte Teleskop auf der Südhalbkugel zu blicken konnte ich mir nicht entgehen lassen. Also bin ich nach Sutherland in Südafrika gereist um SALT, so heißt das South Africa Large Teleskop zu besuchen. Ganz alleine und ohne eine Ahnung zu haben wie Teleskope in dieser Größe wirklich funktionieren.„What a fuck are you doing here?“ werde ich angeschriehen. „Oh, I´m sorry Sir“ höre ich mich stammeln und bin jetzt selbst erschrocken über meine unbändige Neugier und das wohl unsittliche Eindringen in das Reich eines Astronomen. Viel zu spät und schon zum Sonnenuntergang bin ich in Sutherland in der Karoo angekommen. Eine Gegend 400 km nordöstlich von Kapstadt gelegen und bekannt dafür den klarsten und dunkeltsen Himmel der Welt zu haben und deshalb prädestiniert für astronomische Erforschungen zu sein.Am Eingangstor und auch im Büro finde ich keine Menschenseele, was so völlig untypisch ist für Südafrika, wo man sich ständig mit Pass und Fahrzeugnummer ausweisen muss. Es ist weit nach 17 Uhr und so scheinen alle im verdienten Feierabend zu sein. Ich bekomme nun doch Bedenken SALT nicht mehr entecken zu können, denn mein Zeitplan lässt es eigentlich nicht zu morgen noch mal hierher zu kommen. Also beschließe ich das Feld mit den Teleskopen einfach eigenständig zu untersuchen.Immerhin die Schranke ist offen, es gibt kein Verbotsschild und falls ich doch gestoppt werde, könne ich die „Unschuldige-Mädchen-Trumpfkarte“ ausspielen. Also fahre ich den Berg hinauf zu dem Gebiet auf dem neben dem größten Teleskop noch weitere Beobachtungsstationen stehen. Ich parke mein Auto, schnappe mir die Kamera und laufe drauf los. Hier ist wirklich Niemand und so langsam kommt mir das auch komisch vor. Trotzdem nutze ich die Gunst der Stunde fotografiere wild herum. Wer weiß schon ob das sonst erlaubt ist und wann sich je so eine Chance wieder bietet.Die Sonne ist längst untergegangen als ich zu meinem Auto zurück trabe. Neben meinem Wagen parkt nun noch ein weiteres Fahrzeug. Bei genauerer Beobachtung und erst jetzt fällt mir auf, dass nun neben vielen der Teleskopen ein Auto steht. Klar! Die Dunkelheit hält Einzug und damit beginnt die Zeit der Astronomen. Wenn ich schon die Führung beim großen Teleskop verpasst habe, könnte ich ja mein Glück in einem der kleineren versuchen. Ich wittere meine Chance doch noch mehr über SALT zu erfahren und in den Genuss des Sterneguckens zu kommen.Ich wackel also frohen Mutes auf eines der kleineren Gebäude zu in dem ich gerade eine Person habe verschwinden sehen. Vergeblich suche ich eine Klingel und klopfe dann an die Tür. Erst ganz vorsichtig und nach einer ganzen Weile auch mit Nachdruck. Keine Reaktion. „Ob die Tür verschlossen ist?“ frage ich mich. Langsam drücke ich die Klinke herunter und tatsächlich, die Tür öffnet sich und ich trete ein.Lichtschalter finde ich keinen und mich umgibt finsterste Nacht. Langsamen Schrittes wage ich mich nach vorne, taste die Wände entlang und versuche die nächste Tür zu finden. Ein paar schüchterne „Hello“ „Hello“ entfahren mir. Noch könnte ich ja unentdeckt den Rückzug antreten. Mein Entdeckergeist ist allerdings stärker und die Neugier treibt mich voran. Auch im nächsten Raum herrscht Finsternis, aber diesmal kann man wenigstens noch Umrisse erkennen. Ich schiebe mich die Treppen hinauf, während sich meine Augen zunehmend an die Finsternis zu gewöhnen scheinen.Mein Herz pocht wie wild, ich höre meinen eigenen Atem aber sonst rein gar nichts. Als ich die Stufen erklommen habe und den nächsten Raum betrete kann ich schemenhaft die Umrisse eines Teleskops erkennen. „Jetzt bloß nichts umrennen, das könnte teuer werden.“ denke ich mir. Plötzlich und völlig unvermittelt öffnet sich die Tür neben mir und im nächsten Moment höre ich einen erschrockenen Schrei der durch Mark und Bein geht. Der Mann der den Raum betreten hat, hat wohl nicht mit Besuch gerechnet. Ich bin nicht weniger zusammengefahren und stammel schnell eine Entschuldigung. „Die Tür war nicht geschlossen und ich wollte doch nur…“ Jetzt bin ich wirklich das kleine unschuldige und verschrockene Mädchen und muss gar nicht schauspielern. Es tut mir wirklich leid den armen Mann derart erschreckt zu haben.Der ältere Herr nimmt es mit Humor „Ich sollte mir wohl angewöhnen, die Tür zu zuschließen“. Freundlich bittet er mich in seine Räumlichkeiten und lässt mich erklären, was mich zu ihm geführt hat. Offenbar imponiert es ihm, das eine Frau alleine den Weg nach Sutherland gefunden hat und sich offenbar so sehr für Astronomie interessiert, dass sie auch vor unbefugtem Zutritt nicht zurück schreckt.Ich darf also bleiben und sehe mich erst mal im Kämmerchen um, während der Herr Astronom sich Zeit zum Hochfahren seiner Gerätschaften erbittet. Alles hier erinnert eher an einen Agentenfilm aus den 70igern und weniger an eine hochmoderne Anlage. Alte Tastentelefone, staubige Papiere und Computer der Windows 3.11 Generation. Zugegeben liefen die damals auch am stabilsten also warum sollte man dann upgraden? Ich schmunzel vor mich hin bei diesem Gedanken.Inzwischen ist das Teleskop auf die nächtliche Beobachtung ausgerichtet, der Computer hochgefahren und der Herr Astronom zum Gespräch bereit. „Wissenschaftler aus ihrer Routine zu reißen wird mir sicherlich nicht wieder passieren, sie wirken dann ganz schön verstört.“ denke ich mir bei unserem doch etwas holprigen Gespräch. Auch reden sie wohl nicht so gerne also erkläre ich erst mal. Ich bereichte, dass ich eigentlich aus Deutschland komme, das ich Astronomie in der Schule geliebt habe und es sehr bedauere, dass dieses Fach heute nicht mehr unterrichtet wird. Mein Astronom taut nun doch etwas auf und beginnt mir von seiner Arbeit zu erzählen.Das die Wissenschaftler immer zum Sonnenuntergang hierher kommen und ihren Beobachtungsposten beziehen. Für paar Wochen machen sie das so jede Nacht und nur alle 6 Wochen fahren sie zu ihren Familien nach Hause. Tagsüber wird geschlafen und eigentlich haben sie auch nicht viel Kontakt zur Außenwelt. Jeder verbringt die Nacht alleine in seinem „Teleskophäuschen“ und geht ungestört seiner Arbeit nach.Wir widmen uns nun seinem Tagwerk. Auf einem uralt schwarz/weiß Monitor flimmert eine Art Radarfilm, was mich wieder an Filme aus dem kalten Krieg erinnert. Er zeigt mir zwei Punkte und erklärt, dass er Doppelsterne beobachtet und wie mühselig das sei. Er erforsche, wie diese beiden Punkte sich zueinander verhalten. Ob einer der Beiden ein Mond sei oder ob es sich wirklich um zwei Planeten handle. Ich frage mich allen Ernstes wie in einem modernen Zeitalter noch so gearbeitet werden kann?* Laut äußere ich diesen Gedanken aber nicht, es wird schon seine Berechtigung haben und nur weil ich keine Ahnung habe, werde ich nicht anmaßend.Allerdings hatte ich mir das Sternegucken hier schon ganz anders vorgestellt. Ich dachte man schaut durch das Teleskop und nicht auf einen flimmernden Monitor. Ich lerne also den Unterschied zwischen interessierter Himmelsbeobachtung und wissenschaftlicher Arbeit. Nicht so ganz das was ich mir mit meiner blühenden Vorstellungskraft von SALT ausgemalt hatte. Ich dachte, ich könnte durch das Teleskop bliken und bis in die entferntesten Galaxien schauen. Nach zwei lehrreichen Stunden verlasse ich das Refugium wieder und bin immer noch völlig hin und hergerissen ob ich nun fasziniert oder enttäuscht sein soll. Zwar war es ein Erlebnis einem echten Astronomen bei der Arbeit zu zuschauen aber neue Welten habe ich dabei eben nicht entdeckt.Als ich das Gebäude verlasse, stocke ich und bin ich sprachlos. Denn über mir offenbart sich jetzt die ganze atemberaubende Schönheit des Nachthimmels wie ich ihn nie zuvor – auch nicht in Afrika – gesehen habe. Ein schwarzer Himmel und auf ihm Millionen von funkelnder Diamanten in Form von Sternen. So atemberaubend schön, so tiefgehend und bewegend, dass ich noch im gleichen Moment Tränen in den Augen habe. Erinnern sie mich doch daran, warum ich nach Sutherland zum South African Largest Teleskope gekommen bin. Ich liebe es in den Sternenhimmel zu schauen, Gedanken kreisen zu lassen und Dinge darin zu entdecken, die andere nicht sehen. Mein Astronom bemerkt meine Fassungslosigkeit und lenkt charmant um, indem er mir Galaxien im Nachthimmel zeigt. Das kann sich keiner vorstellen, denn natürlich sieht man die Milchstraße gestochen scharf, aber das man sogar einzelne Galaxien mit bloßen Auge betrachten kann, das haut mich um. Lange betrachten wir gemeinsam den Himmel und völlig unvermittelt sagt er: „Vor lauter Beobachtung und Wissenschaft hab ich ganz den Blick für diese Schönheit verloren.“ Ein wenig stolz blicke ich zu ihm, denn offensichtlich habe ich ihn daran erinnert.Spannend wird dann auch die Rückfahrt von SALT nach Sutherland, denn Astronomen mögen überhaupt keine „Lichtverschmutzung“ so nennen sie störendes Umgebungslicht und ich habe die strikte Anweisung die nächsten 10 km komplett ohne Licht zu fahren. In unsicheren Situationen ist es mir gerade noch erlaubt kurz den Blinker mit orangenem Schein zu benutzen. Und ich wiederhole hier noch mal, es ist der dunkelste Platz der Erde und ich soll ohne Licht das Gelände verlassen, den Berg hinunter rollen und den Weg finden. Mit einem mulmigen Gefühl löse ich die Handbremse und rolle los.Meine Augen haben sich schon sehr gut an die Finsternis gewöhnt und zu Fuß wäre das sicherlich auch machbar, aber ein Auto in kompletter Dunkelheit zu lenken, das verlangt mir schon einigermaßen Vorstellungsvermögen ab. In weniger als Schrittgeschwindigkeit und mit geöffnetem Fenster rolle ich den Berg hinunter und bete inständig, dass ich nicht von der Straße abkomme und verunfalle. Noch dazu bin ich ganz alleine in der finsteren Nacht in fremder Umgebung unterwegs und ich muss mich wirklich zusammenreißen meine Ängste unter Kontrolle zu halten. Ich beruhige mich damit, dass hier sicherlich niemand wartet, um einen Touristen zu überfallen. Wahrscheinlich ist das nicht nur der dunkelste Platz der Welt, sondern auch noch der Sicherste. Und hey, was man nicht sieht, kann man auch nicht überfallen. Als die 10 km hinter mir liegen bin ich trotzdem froh wieder mit Licht fahren zu dürfen.An diesem Abend bin ich in voller Glückseligkeit eingeschlafen und direkt am nächsten Morgen wieder in Richtung SALT gestartet. Diesmal das volle Touristenprogramm und mit Besichtigung der Anlage. Doch neben allem was ich dort dazu gelernt habe, bleibt doch der Abend beim Astronomen für mich am stärksten in Erinnerung.
Die Southern African Large Telescope (SALT) ist das größte einzel–optische Teleskop der südlichen Hemisphäre und gehört zu den größten der Welt. Es hat ein sechseckiges Primärspiegelfeld 11 Meter breit, mit 91 einzelnen 1m sechseckigen Spiegeln. SALT ist an der South African Astronomical Observatory (SAAO) Feldstation in der Nähe der kleinen Stadt Sutherland gelegen, in der Provinz Northern Cape, etwa 400 km von Kapstadt entfernt. SALT wird von einem Konsortium aus internationalen Partnern aus Südafrika, den Vereinigten Staaten, Deutschland, Polen, Indien, Großbritannien und Neuseeland gefördert.
Quelle: http://salt.ac.za/
*Übrigens im größten Teleskop wird mit hochmoderner Technik und Flachbildschirmen gearbeitet. Nur die „Länderversionen“ sind nicht immer ganz so gut ausgestattet
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